SĂĽchtelner Spukgeschichten

In einer Gaststätte am „Porteneng“, in der Nähe des „Hagenbroicher Port“ genannten SĂĽchtelner Stadttores, spielten einmal drei leidenschaftliche Kartenspieler um viel Geld. Am späten Abend kam ein gutgekleideter Herr herein und setzte sich zu den drei Spielern an den Tisch. Schon bald lieĂź man ihn mitspielen. Der Gast, der anfangs ein GeldstĂĽck nach dem anderen verlor, fing nach einer halben Stunde an zu gewinnen und gewann den Spielern die ganze Barschaft ab, sodaĂź diese sich sogar beim Wirt noch Geld leihen muĂźten. Als die Standuhr die Mitternachtsstunde schlug, fiel einem der drei Spieler eine Karte zu Boden. Er bĂĽckte sich, um sie aufzuheben und  bemerkte zu seinem Schrecken, daĂź der geheimnisvolle Fremde einen PferdefuĂź hatte. Vor Entsetzen und Schrecken wurde er kreidebleich, warf die Karten in eine Ecke, bekreuzigte sich und wollte aufspringen, um davonzulaufen, jedoch er war an seinen Stuhl gebannt. Als der unheimliche Fremde das Kreuzeszeichen des Mitspielers sah, stieĂź er ein fĂĽrchterliches Geheul aus und entfloh durch das offenstehende Oberlicht, einen schwefligen Gestank hinterlassend. Die drei Spieler aber sollen von dieser Stunde an keine Karten mehr angerĂĽhrt haben. Vom „Leibhaftigen“ wird in der Teufelssage berichtet, daĂź er oft unvermutet und unerkannt in eine Schenke kam und sich gerne zu leidenschaftlichen Kartenspielern an den Tisch setzte, um mitzuspielen.

 

In der französischen Zeit ging die Rede von einem Werwolf im Nordkanal, der den VorĂĽbergehenden auf den RĂĽcken sprang und sie erst wieder vor den Toren SĂĽchtelns, oder wenn diese völlig erschöpft und verängstigt unter seiner Last zusammengebrochen waren, verlieĂź. Auch an der Geyrentormauer hauste ein Werwolf, der auf „arme Seelen“ Jagd machte.

 

Im Sittard an der Mosterzstraße treibt sich zur Geisterstunde ein großer Hase herum, der den Leuten solange zwischen die Beine läuft, bis sie fallen. Dieser Spuk wird im Volksmund „Wehres Kussel“ genannt. Nach der Überlieferung soll ein alter, geiziger Bauer am Sittard gelebt haben mit Namen Wehres. Dieser soll die böse Angewohnheit gehabt haben, nachts die Grenzpfähle zu verrücken, um so seinen Besitz zu vergrößern. Nach seinem Tode muß er nun zur Strafe bis in alle Ewigkeit als Hase in diesem Revier herumspuken.

 

Auf dem Kölsumerweg, dem ehemals „de Kreet“ genannten Hohlweg, der im Dornbusch von der Lobbericher Straße zum Kölsum führt, treibt seit uralten Zeiten ein Spuk sein Unwesen. Dieser Spuk, in der Gestalt eines alten buckligen Männchens mit blechernen Schuhen an den Füßen, neckt hier im Schutze der Nacht die vorbeiziehenden Wanderer. Erst versetzt er diesen Fußtritte und Rippenstöße und dann bricht er in schallendes Gelächter aus und verschwindet in der Dunkelheit.

 

In der Umgebung des evangelischen Friedhofes an der Merianstraße treibt des nachts die Süchtelner Schlaghexe ihr Unwesen. Dieses böse Weib lauert zur Geisterstunde den Vorbeigehenden auf, um sie zu ohrfeigen und dann spurlos zu verschwinden. Besonders hat sie es auf Liebespärchen abgesehen. Diese und die anderen Süchtelner Hexen verwandeln sich nachts oft in schwarze Katzen und treffen sich an ihrem Hauptversammlungsort am Lindenplatz.

 

Auf dem ehemals bewaldeten Hochplateau am Gehlingsweg, welches links vor dem Hohlweg lag, der durch den Friedhof führt, befand sich vor vielen hundert Jahren die Süchtelner Richtstätte, „et Hetsche“ ( Das Heidchen ) genannt. Hier wurde so mancher Schwerverbrecher hingerichtet und bestimmt ist hier auch der eine oder andere unschuldig Angeklagte zu Tode gekommen. An diesem verfluchten Ort geht in der Geisterstunde zwischen 12 und 1 Uhr nachts das „Armsündergespenst“ um; eine weißgekleidete Jungfrau mit einer blutroten Schnur um den Hals.

 

Der Spukpesch, ein vormals kleines Hochwäldchen am Heidweg, ist wohl der unheimlichste Ort im ganzen Städtchen. Hier treiben gleich drei Gespenster ihr Unwesen. In grauer Vorzeit wohnte in Süchteln ein reicher Mann, der sein großes Vermögen hauptsächlich durch Betrug erworben hatte. Als er fühlte, daß er bald sterben würde, vergrub er sein ganzes Geld in diesem kleinen Wäldchen am Heidweg. Nach seinem Tode erschien er, in einen großen schwarzen Hund mit feurigen Augen verwandelt, am Spukpesch und muß nun auf alle Zeiten in der Geisterstunde um den verborgenen Schatz herumschleichen, um ihn zu bewachen. Auch spukt dort ein großer schwarzer Vogel, der unbefugten Jägern solange um den Kopf fliegt und sie nicht von der Stelle läßt, bis daß der Tag anbricht. Und wer dort unerlaubterweise Holz sammelt, dem wird dieses von unsichtbarer Hand entrissen.

Im Winter war es, um Neujahr,
Der Rauhfrost hing um Busch und GrĂĽn,
Die Nacht war hell und sternenklar,
Der Schnee lag hoch bis zu den Knien –
Sie zogen aus mit dem Jagdgewehr,
Zum Spuk-Pesch, mitternächtig spat,
Dem Fuchs nach, der seit lange her
Die HĂĽhner stahl am Varsen-Pfad.

 Sie wadeten durch Schnee und Haid,
Der Joseph steht im Fichtengrund,
Mathias auf der andern Seit,
Und neben diesen kuscht der Hund.
Der Busch ist still, still wie ein Grab,
Die Luft fließt leise wie ’ne Maus,
Kaum bricht der Wind ein Zweiglein ab,
Dann paust er wieder und ruht aus.

 Elf ist vorbei und Zwölfe naht,
Da hebt auf einmal sich der Wind,
Die Ă„ste krachen ĂĽberm Pfad,
Wild fegt’s nach Heiligenberg und Gindt.
Auch die Diana schrickt empor,
Am liebsten nähme sie Reißaus,
Sie hebt die Schnauze, spitzt das Ohr
Und stößt ein banges Heulen aus.

 Da kam – es war ein seltsam Ding –
Quer durch den Wald, es war schauerlich,
Ein bleiches Weib, doch wie sie ging,
Kein einz’ger Zweig bewegte sich.
Ein Weib war’s, wie in höchster Not,
SchneeweiĂź von Antlitz, wie beschneit,
Die Arme hingen ihr wie tot
Und auch der Kopf hing nach ’ner Seit’.

 Und ihr Gewand – es war kein Kleid,
Ein Laken war es, weiĂź und lang,
Und wie sie ging, es schleppte weit,
FuĂźweit ihr nach in ihrem Gang.
Sie waren sonst so furchtsam nicht,
Doch beiden bebte das Gebein;
Die Frau sah aus im Mondenlicht,
Als käm’ sie aus dem Totenschrein.

 Sie ging, wie Gehens ungewohnt,
Sie hob die FĂĽĂźe nicht, sie schwebt,
Und mitten durch sie schien der Mond
Ganz geisterhaft und unbelebt.
Auch keinen Schatten warf die Frau,
So glänzend auch der Sterne Schein,
Die Beiden sahen’s ganz genau,
Das Weib war nicht von Fleisch und Bein.

 Ja grausig war’s – so jeder dacht,
Was will die Frau zu dieser Stund’
– Die Uhr schlug eben Mitternacht –
Tief hier im düstern Föhrengrund,
Wo nur die Eule drauĂźen schwebt,
Der scheue FuchsrĂĽd schnĂĽrt im Feld,
Und was als Christenseele lebt,
Im Bett sich tief verborgen hält.

 Der Jagdhund klaget wie ein Kind,
Verkriecht sich unter Mathes SchoĂź,
Dann schnob er winselnd in den Wind,
Erschreckt und völlig willenlos.
Zu Berg stand ihnen jedes Haar,
Sie raffen die Flinten auf vom Grund,
Und wie der Spuk vorĂĽber war,
Ging’s heim mit ihnen und dem Hund.

  Sie seh’n sich an, verstört und blaĂź,
Kein Wörtchen fällt, sie ziehen nur
Die Jacken über Ohr und Nas’ –
Denn totenstill war die Natur,
Sie wagen nicht ein einzig Wort,
Sie zitterten bis zu den Zeh’n,
Doch an der eig’nen Wohnung Pfort
Fragt Joseph: „Hast du’s auch geseh’n?“

 ( Richard Freudenberg - Original in Sötelsch Plott )

Der alte „Gindter Weg” in der Nähe der Richtstätte „et Hetsche”

Eine alte heidnische Sage knüpft sich noch an „Hus Wengert“ ( „Haus Wengert“ oder auch Burg Bocholt ), das zwischen Süchteln und Lobberich liegt und von dem sogar noch einige wenige Mauerreste vorhanden sind. Auf der Burg Bocholt ( auch Bocholz genannt ) wohnten in der grauen Vorzeit Heiden und der die Burg umgebende Eichenwald war damals ihr prächtiger Weingarten. Als die ganze Gegend schon zum Christentume bekehrt war und nur die Bocholzer vom Heidentum nicht ablassen wollte, wurde alles durch einen Fluch zerstört. Die Burg verfiel und an Stelle des Weingartens wuchs ein mächtiger Eichenwald, wo noch heute der Waldmeister als Überbleibsel des alten Weinberges wächst. Ein Weg von Süchteln nach Lobberich, der an der Burg vorbeiführte, heißt hier noch der „Heidweg“ ( „Heiden Weg“ ). In dem größten der Eichenbäume bei der Burg nistete bis 1868 alljährlich ein großer Rabe. Mit seinem Verschwinden war „Hus Wengert“ endlich dem Untergange verfallen.

 

Aber natürlich gab es in Süchteln auch manche guten Geister. Sie sollen an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben. In der Gindt, nahe beim Hübges-Hof, auf dem Kölsum und im Piepersberg am Windberg sollen sich vor etlichen Jahrzehnten noch Eingänge zu den unterirdischen Höhlen befunden haben, die den ganzen Süchtelner Wald durchzogen. Nach dem uralten Volksglauben hausten in diesen Höhlen die Heinzelmännchen, die „Heimännkes von Süchteln“ genannt. So erzählt der Volksmund von einem armen Süchtelner Schneider in der Dränkergasse ( jetzt Kirchstraße ), dass sich bei ihm in der Nacht die „Heimännkes“ einstellten und die zurecht geschnittenen Stoffe zu den allerfeinsten Kleidern verarbeiteten. Als der durch diese Hilfe reichgewordene Schneider eines Tages den „Heimännkes“ aus Dankbarkeit feine Anzüge, Stiefelchen mit silbernen Sporen und Hütchen mit Federn drauf hinlegte, nahmen sie alles mit und kamen nie mehr wieder.

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