Stadtbefestigungen und Tore

Landwehr
Im Jahre 1545 umgab man die Gemeinde Süchteln mit einer Landwehr, einem Wall und beiderseits einem Graben. Von der Riesenarbeit blieben bis heute einige Reste, die weite Strecken Wald und Feld durchziehen, erhalten. Durch die Landwehr, welche die Grenzen der Gemeinde unverrückbar festlegte, wurde zunächst den jahrzehntelangen Grenzstreitigkeiten Einhalt geboten. Nunmehr konnte das Vieh ungehindert umherschweifen, während bisher ernstliche Reibereien zwischen den Kuhhirten und Hütejungen eine alltägliche Sache gewesen waren. Namentlich standen sich die Süchtelner und Oedter Hirten auf den Nierswiesen gegenüber. Die Hauptbedeutung der Landwehr aber lag darin, daß sie einen Schutz in den unablässigen Fehden und Kriegen der vergangenen Jahrhunderte gewährte. In unruhigen Zeiten standen hier Beobachtungsposten, die beim Anrücken des Feindes die Schützenbruderschaften alarmierten.

Stadtwall
Um das Jahr 1405 wird die Dorfhonschaft Süchteln zu den befestigten Plätzen des Herzogtums Jülich gezählt. Ein Wall mit zwei Gräben, dessen ungefähren Verlauf die heutigen Straßen Ost- und Westring kennzeichnen, umschloß die Stadt nach allen Seiten hin. Den Wall bepflanzte man mit Ulmen oder Elsen, deren Wachstum durch Abschneiden der Spitze zu den Seiten gelenkt wurde. Durch Verflechten der Zweige entstand im Laufe der Zeit ein fast undurchdringliches Gewirr von Stämmen und Ästen. Dazu verstärkte man teilweise den Wall mit Mauern, Palisaden und Zäunen. An einzelnen Stellen, so an den 3 Stadttoren, sowie von der Irmgardis- und von der Kirchstraße aus, führten Holztreppen auf den Wall. Auch wird 1713 die Anlage eines „neuen Treppchens im Hamechersträßchen ( Clemensstraße ) an den Wall“ erwähnt.

 

Rondelle
Eine weitere Schutzanlage der Stadt bildeten die Rondelle, runde von Pfeilern getragene Ausbauten der Wälle, die meist mit Elsen bepflanzt waren und im Verteidigungsfalle ein erfolgreiches Beschießen des äußeren Grabens ermöglichten. Süchteln scheint sechs solcher mit Dornenhecken umgebenen Rondelle gehabt zu haben. Näher erwähnt werden unter anderem das Naffers-, das Geyren- und das Jehlisrondell. Das Naffersrondell lag am Anfang der Bergstraße, das Geyrenrondell lag „ achter Mehlersgut“, also ungefähr auf der Mitte des heutigen Westrings, und das im Jahre 1600 „mit Elsen gepoßte neue Rondell, achter Claßes“, mithin anscheinend da, wo heute das Postamt ist ( Tönisvorsterstraße ).

 

Stadttore
In die Stadt Süchteln hinein führten anfangs zwei, später drei Tore. Bis gegen Ende des 16. Jahrhunderts bestanden im Süden die „Gisgesportz“ ( Anfang Hochstraße ) und im Westen die „Lautportz“ ( Hindenburgstraße ). Das Gisgestor, später Viersener Tor genannt, scheint das ältere gewesen zu sein, da das Lauttor bis in die spätere Zeit hinein die „Neue Portz“ genannt wurde. 1582 beschlossen die Bürger den Bau eines dritten Tores im Norden, das den Namen „Geyrenportz“ ( Hochstraße ) erhielt, später Hagenbroicher Tor. Im Gegensatz zu vielen erhaltenen Stadttoren am Niederrhein, die Wehranlagen im eigensten Sinne darstellen, waren die Süchtelner Tore schlichte Pforten, welche die angrenzenden Wälle und Mauern überragten.
Unten und oben hatten die Tore einige bewohnbare Räume, die Behausungen des Torpächters. Den Tag über sah man ihn gewöhnlich in seinem „Wacht- oder Schilderhäuschen“, das zu ebener Erde lag und die Gemeinde mit einem Ofen ausgerüstet hatte. Aufgabe des Pächters war, die Straße durch das Tor ständig durch einen Schlagbaum gesperrt zu halten, ihn aber, wenn „ein Bürger ein- oder auszugehen benötigte, gebührend auf- und zuzumachen“. Für die Nacht und in gefahrvollen Zeiten hatte man außerdem eine besondere Schutzwehr, die Falltore, von unseren Vorfahren Helmeyen genannt, die dann dauernd geschlossen blieben. Der letzte Rest der Süchtelner Stadtbefestigung, die „Vierscher Portz“, wurde 1907 abgerissen. In alter Zeit wurde an allen Wochen- und Jahrmärkten an allen Toren der Stadt Süchteln eine eiserne Hand und ein Säbel sowie ein Plakat ausgehängt, mit der Weisung, daß jedem, der sich an fremden Eigentum vergehe, die rechte Hand abgehauen werde.  

Blick durch das letzte Süchtelner Stadttor um das Jahr 1900 auf die Viersener Straße ( heute Düsseldorferstraße )

So sah das „Viersener Tor” in Süchteln um 1592 aus, nach einem Kupfertstich des Gottfried von Kempen. Das diese Ansicht ziemlich realistisch ist, zeigt einerseits die Genaugikeit mit welcher der Kirchturm von St.Clemens wiedergegeben ist und andererseits die Tatsache, daß man 1966 bei Kanalbauarbeiten Ecke Bergstraße und Westring auf mächtige Überreste dieser Stadtmauer stieß.

Das Hagenbroicher Tor in Süchteln wurde im Jahre 1592 neu gebaut. Die Vorsteher und Schöffen hatten eine freiwillige Gabe von hundert Dalern ( „Daler“ war seinerzeit die Landesmünze im Unterschied zum „Reichstaler“ ) gezeichnet und am 12. Juli wurde ein „neuwer Schatz gefaßt of die burger zu behoiff der erbowung der neuwen portzen“, der etwa zweihundert Reichstaler eintrug. Regierende Bürgermeister waren damals Peter im Lewen und Theiß Leuten. Diese ließen „das Grundwerk“ nach Anweisung des Meisters Daeme von Brüggen, dem der Bau verdungen war, von der Gemeinde auswerfen. Der Bau ging rasch vonstatten. Bald konnte der Zimmermeister Henrich mit seinen Gesellen den Maienstrauß aufstecken, Meister Jan der Schmied und Meister Petter Mehlers der Leiendecker beendeten die Arbeiten. Letzterer bekam sechs Rosenobel und einen Henricusnobel für seine Bemühungen. Der „Wappenstein“, der sich oben in der Krönung der Tores befand, war von einem Eingesessenen Matthias Mehlers zu einem Reichsort ausgehauen worden. Das ganze Tor, welches den Namen „Zehriß oder Geyrenportz“ erhielt, hatte 744 Daler und 4 Stüber gekostet.

Abriss des letzten Süchtelner Stadttores 1907

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