Der Grand Canal du Nord

Um die Stellung Hollands während der Kontinentalsperre gegen England zu schwächen, plante Napoleon eine nur durch französisches Gebiet führende Wasserstraße, den “Grand Canal du Nord” ( Rhein-Maas-Scheldekanal ). Als er im Jahre 1804 in Süchteln weilte, schlug er sein Lager vor den Toren der Stadt, an der Straße nach Viersen auf. An der heutigen Düsseldorferstraße ist auf dem Grundstück Nummer 25 urkundlich eine Blutbuche als Lagerplatz Napoleon Bonapartes belegt. Bei dieser Gelegenheit ließ er auf dem Heiligenberg am Marienkreuz bei der Irmgardiskapelle, mehrere Linden pflanzen. Von hier aus ließ er auch durch Sachverständige das Niersbruch auf seine Eignung für den Kanalbau hin untersuchen, und besichtigte die Fossa Eugeniana bei Rheinberg, eine aus der Zeit des spanischen Erbfolgekrieges ( 1701 – 1714 ) stammende unvollendete Kanalanlage zwischen Rhein und Maas. Was damals unterblieb, sollte jetzt 100 Jahre später, Holland zum Trotz, ausgeführt werden. Der Kanal, der bei Grimlingshausen seinen Anfang nahm, die Orte Neuß, Neersen, Viersen, Süchteln und Grefrath berührte, sollte bei Venlo die Maas durchschneiden und bei Antwerpen in die Schelde münden. Insgesamt etwa 175 Kilometer lang, entfielen auf die Gemeinde Süchteln rund 7 Kilometer. Die Kosten des Baues sollten halb durch die Staatskasse, halb durch einen vierprozentigen Zuschlag zur Grund-, Kopf und Mobiliarsteuer während eines Zeitraumes von 10 Jahren bestritten werden.

Im Frühjahr 1809 wurde die Herrichtung des Kanals auf der ganzen Strecke vom Rhein bis zur Maas durch spanische Kriegsgefangene gleichzeitig in Angriff genommen. Sein Verlauf ist in unserer Gemeinde noch deutlich zu erkennen. Die heutige Andreasstraße deutet durch ihren ehemaligen Namen Kanalstraße und ihre Fluchtlinie auf das napoleonische Unternehmen hin. Sobald das Hagenbroicher Gebiet erreicht wird, kreuzt der Kanal die heutige Landstraße, die von Süchteln kommt und wird von ihr bis Grefrath begleitet. Wo die Landstraße den Mühlenheuweg schneidet, lag ehedem das Peterkindersgut. Da es in die Laufrichtung des Kanals fiel, mußte es abgebrochen werden. Auch einige Teile des Tolleshofes wurden niedergelegt. Die geschädigten Besitzer erhielten keinerlei Vergütung. Der Kanal hatte beachtenswerte Ausmaße; so betrug seine Breite etwa 20 und seine Tiefe zwischen 3 bis 4 Meter.

Zwei Drittel des Kanalbaues waren nahezu fertiggestellt, acht Millionen hatte man schon verausgabt, als gegen Ende des Jahres 1810 wider Erwarten die Arbeiten eingestellt wurden. Napoleon hatte den König von Holland abgesetzt und das Land mit seinem Kaiserreiche vereint. Nunmehr selbst im Besitz der holländischen Häfen und der Rheinmündung, gab es keine Notwendigkeit mehr für den Bau des Rhein-Maas-Scheldekanals. Der plötzliche Abbruch des Kanalbaues enttäuschte die Bürger Süchtelns sehr. Wäre er vollendet worden, so hätte die Stadt einen ungeahnten Aufschwung genommen, zumal auf dem Grundstücke der ehemaligen Gaswerke eine Abzweigung des Kanals als Hafen und Ausweichstelle hergerichtet werden sollte. Das Schleusenwerk dazu war schon zum großen Teile vollendet.

Anders als die Bewohner der Stadt urteilten die Bauern der Sektion Hagenbroich. Hier hätte der Kanal die Gehöfte von den Äckern im Hagenbroicher Feld getrennt. Der Unbequemlichkeit, stets lange Umwege machen zu müssen, war man glücklich entronnen. Schon während der Ausschachtungsarbeiten war es zu übereilten Haus- und Landverkäufen gekommen.

Nach dem Zusammenbruch der napoleonischen Macht wurden schon bald Anträge gestellt, die halbwegs vollendeten Kanalanlagen ganz fertigzustellen, so im Jahre 1816, jedoch ohne Erfolg. So liegen die Reste des Rhein-Maas-Scheldekanals, heutigentags nur noch ganz vereinzelt sichtbar, von Gras und Schilf überwuchert wie schlafend in den Wiesen. Es ist, als träume er von alten, fernen Zeiten und ob nicht doch einmal der Tag komme, der ihn aus seinem Dornröschenschlafe erwecke.

Süchteln mit Hafen - Ausschnitt aus der französischen Katasterkarte 1812

Ausschnitt aus der Tranchot Karte 1805

Anläßlich der Euroga wurden im Sommer 2002 einige Teilstücke im Verlauf des alten Nordkanals mit blauen Kornblumen bepflanzt ( Niederstrasse ).

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