Aufstand der Seidenweber 1848

Im Jahre 1848 kam es in der hiesigen Gegend allerorten zu Arbeiterunruhen und vereinzelt sogar zu Aufständen. Am 25. März kamen in Süchteln mehr als 3.000 Seidenarbeiter aus der näheren und weiteren Umgebung zusammen. Am Morgen schon waren einigen Bewohner aus dem Sittard und der Gindt mit einer großen blutroten Fahne erschienen, die in einem Fenster des Bürgermeisteramtes ausgehängt wurde. Der damalige Süchtelner Bürgermeister, Carl von Oerthel, der mit den besitzenden Kreisen unserer Stadt schon seit längerem verfeindet war, trat auf die Seite der Arbeiter. Der Lindenplatz stand voller Menschen und immer lauter wurde das aufrührerische Geschrei, immer offener ertönten von allen Seiten her furchtbare Drohungen. Die Wirtschaften schlossen vor der zahlungsunfähigen Masse ihre Türen. Um die öffentliche Sicherheit nicht zu gefährden, ließ der Führer der Bürgerwehr Alarm blasen, aber nur ein Dutzend der tapferen Streiter fanden sich ein.

 Das alte Süchtelner Bürgermeisteramt ( 1899 abgerissen )

Den ganzen Tag über dauerten die Verhandlungen zwischen den Webern und den Arbeitgebern, aber es kam zu keinem Ergebnis. Schon vernahm man hier und da das Klirren eingeworfener Fensterscheiben, dem schallendes Gelächter folgte. Für die nächste Nacht stand das schlimmste zu erwarten bevor. Da kam plötzlich gegen 6 Uhr nachmittags eine unerwartete Wendung. Erst kaum vernehmlich, dann immer deutlicher hörte man von der Krefelder Landstraße her Hufschläge rasch dahintrabender Pferde. Einen Augenblick herrschte ein banges Schweigen, dann stob die Menge Hals über Kopf auseinander. Schon brauste ein Halbzug Ulanen mit gefällten Lanzen über den Markt hinweg. Wenige Sekunden hatten genügt um das Bild vollständig zu verändern. In achtungsvoller Entfernung von der Reiterschar sah man hier und da noch kleine Gruppen von der bisher so ingrimmigen Masse beisammen stehen. Ein allgemeines Rufen: „Hurra, die Ulanen sollen leben !“ zeigte, dass viele Süchtelner Bürger dieser Wendung recht froh waren.

Zu neuen Verhandlungen kam es natürlich nicht. Alles schlich still nach Hause. Die meisten Weber hatten bei wiederaufgenommener Arbeit das Intermezzo bald vergessen. An den folgenden Abenden hörte man zuweilen noch das Klirren einer eingeworfenen Fensterscheibe, aber dann hörte auch dieser Unfug auf. Die Ulanen zogen nach einigen Tagen wieder ab. Die Bürgerwehr, die offenkundig gezeigt hatte, dass sie ihren Zweck nicht erfüllte, wurde aufgelöst und die Gewehre wurden wieder nach Neuß geschafft.

Im schützenden Dunkel der Nacht spielte sich inzwischen ein weiteres Ereignis ab. Der Bürgermeister verließ mit Weib und Kind ( Carl Joseph Bernard von Oerthel 1839 hier geboren ) unauffällig Süchteln, ohne jemals sich hier wiedersehen zu lassen. Anfänglich blieb es ein Geheimnis, wie das Eingreifen des Militärs veranlasst worden war. Erst später erfuhr man, dass der Kaufmann Wilhelm Kreeft, der sich besonders in Gefahr wähnte, eiligst nach Düsseldorf gereist und auf seine Vorstellung hin sofort eine Abteilung Lanzenreiter im Eilmarsch nach Süchteln entsandt worden war, die gerade noch rechtzeitig eintraf, um eine schamlose Revolte zu verhindern.

 Der damalige Süchtelner Bürgermeister ( 1843 – 1848 ),
Carl A. Friedrich Wilhelm von Oerthel ( geboren 1809 ),
war später Polizei-Kommissar in Wesel

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